Artikel vom 21.02.2019

Glücksforschung: Wird Heiraten überschätzt?



Die Hochzeit - nicht nur der schönste Tag im Leben, sondern für viele auch Startpunkt einer gemeinsamen Reise. An einen Ort, wo die Kerzen des ewigen Festes nie herunterbrennen. Oder? Eine Fünf-Jahres-Studie aus der Schweiz holt Frischvermählte jetzt auf den Boden der Tatsachen zurück. Überschätzen wir die Bedeutung von Gipfelereignissen?

5 Jahre nach der Trauung: Noch immer auf Wolke 7?

Was die Studie wissen wollte: Gerade Job verloren, Kind bekommen oder geheiratet, aber wie zufrieden werden Sie in einigen Jahren sein? Dr. Reto Odermatt und Prof. Dr. Alois Stutzer von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel machten den Vergleich, um zu sehen, wie die Befragten ihre Zufriedenheit fünf Jahre später tatsächlich beschrieben. Ziel war, herauszufinden, wie exakt Menschen ihre Anpassung an neue Lebensumstände, ausgelöst durch Lebensereignisse wie Heirat, Tod des Partners, Invalidität, Arbeitslosigkeit oder auch Scheidung, voraussagen können. Die im Journal of the European Economic Association erschienene Studie befragte über 30.000 Personen in Deutschland wiederholt. Das Ergebnis: Positive Ereignisse Hochzeiten wirken sich langfristig weit weniger stark aus als die Befragten annahmen. Nach fünf Jahren rangierte die Zufriedenheit auf einem Level wie vor der Hochzeit. Erlebnisse berühren kurze Zeit intensiv, um sich dann wieder auf Ursprungsniveau einzupendeln.

Warum romantische Euphorie nicht andauert

Was macht die Einschätzung zukünftiger Zufriedenheit für Ökonomen so interessant? Sie möchten wissen, auf welcher Grundlage Menschen Entscheidungen treffen. Die Schweizer Ergebnisse überraschen, weil sie einer ökonomischen Grundtheorie widersprechen: Individuen können korrekt vorhersagen, welche Handlungen - und damit Ereignisse wie Hochzeiten - welchen Nutzen bringen. Dafür, dass diese Annahme hier nicht passt, machen Odermatt und Stutzer unsere Anpassungsfähigkeit verantwortlich: Verändern sich die Umstände, reagieren wir darauf - wertend und emotional. Wie stark, geht mit der Zeit zurück. So macht manch überschwängliche Ehe-Euphorie schließlich vertrauter Alltagsnormalität Platz macht, statt unser Zufriedenheitsniveau dauerhaft zu pushen. Kurz: Wir sind Gewohnheitstiere. Aber Heiraten macht einfach zuviel Spaß, als dass wir uns vorstellen könnten, dass dieses Hochgefühl jemals endet.

Abnehmender Grenznutzen von Hochzeitstorte

Ernüchternd: Anscheinend können wir die Effekte unserer Entscheidungen nicht korrekt vorhersagen. Eine andere bekannte Theorie weiß das schon lange. Gemeint ist das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Was kompliziert klingt, enthält eine universell anwendbare Botschaft: Niemand kann und will jeden Tag auf ewig Hochzeitstorte essen! Wirtschaftswissenschafter drücken das so aus: Konsumiert jemand nach einem ersten Gut (G1) ein weiteres Gut (G2), nimmt der Nutzen des Gutes G ab. Und wenn ich jeden Tag in Feierlaune bin, tritt irgendwann Übersättigung ein. Ähnlich verhält es sich zwischen Glück und Einkommen, wie Richard Easterlin herausfand: Verdiene ich plötzlich 20.000 statt 10.000 Dollar im Jahr, freut mich das mehr, als wenn ich 100.000 statt 90.000 Dollar bekomme. Doch dass wir uns an Lebensumstände anpassen und gewöhnen können, hat auch Vorteile - negative Ereignisse werden, schneller als erwartet, als weniger belastend erlebt.

Optimal entscheiden: Nur, wenn ich weiß, was mich glücklich macht

Die korrekte Vorhersage, in wieweit sich verändernde Situationen unser Leben beeinflussen, bleibt ein Grundpfeiler der Wirtschaft. Ist sie möglich? Nur dann, wenn Menschen - auch Ehepaare in spe - den möglichen Zustand der Welt, in der sie leben sowie ihre Vorlieben vorwegnehmen und abschätzen können. Wann hat die Entscheidung zu heiraten den größten Nutzen? Wenn ich weiß, was mich glücklich macht und wie stark sich meine Präferenzen verändern können. Falls Menschen also, wie die Studie nahelegt, unfähig sind, korrekt einzuschätzen, was glückliche Zweisamkeit bedeutet, treffen sie alles andere als optimale Entscheidungen. Fazit: Brautleute, die das Thema Ehe unvoreingenommen anpacken, sind im Vorteil! Und ebenso alle, denen vorher bewusst ist, wie schnell sie sich an veränderte Lebensumstände gewöhnen.

Heiraten kein Garant für Langzeitglück?

Trotzdem - ein Dämpfer für frisch Vermählte, die ihr Glück systematisch überschätzen. Anscheinend sind wir nicht gut darin, Glück und Unglück sicher vorherzusagen. Mit einer Ausnahme: Nach Trennung oder Scheidung lagen die Befragten mit der Einschätzung ihrer Zufriedenheit fünf Jahre später ziemlich richtig. Was also tun? Resigniert den Kopf hängen lassen und bloß nicht zuviel erwarten? Ergebnisse wissenschaftlicher Studien sind nicht in Stein gehauen: Zufriedenheit wird nicht nur durch viele Faktoren beeinflusst, sondern ist auch eine höchst subjektive Angelegenheit - und deshalb schwer objektiv auszuwerten. Lust, im persönlichen 7. Himmel gemeinsam von Wolke zu Wolke zu hüpfen? Wer weiß, was morgen ist - tun Sie es einfach!

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