Artikel vom 02.04.2024

L(i)ebe lieber ungewöhnlich: Paare, die anders sind, ernten Hate Speech



Sie groß, schlank, attraktiv, er klein, kahlköpfig, ein paar Pfunde zuviel. Sie jenseits der 60, er halb so alt. Ungleiche Paare ziehen die Blicke und Hate Speech auf sich. Wie Josh und Abby, die sich ihren Körper mit ihrer Schwester Brittany teilt. Freie Meinungen sind Zeichen freier Gesellschaften, aber Hass-Postings zunehmend ein Problem. Was tun, wenn anderen die Partnerwahl nicht schmeckt?

Siamesische Zwillinge, die heiraten?

Die beiden haben alles, was es braucht! Sie sehen toll aus - und sind richtig smart. So der Vater über seine siamesischen Zwillinge Abby und Brittany Hensel. Die an der Hüfte zusammengewachsenen Frauen teilen sich einen Körper, zwei Herzen schlagen in ihrer Brust. Abby kontrolliert den rechten, Britanny den linken Arm - am Klavier und auch sonst. Siamesische Zwillinge kommen einmal auf eine halbe Million Geburten. Bekannt durch ihren Auftritt bei Oprah Winfrey 1996, stehen die Amerikanerinnen seither im Spotlight. Ruhm, der ein wenig an die chinesischen Zwillinge Chang and Eng Bunker des 19. Jahrhunderts erinnert, damals leider gezwungen, mit Freak-Shows ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Beide waren verheiratet - und hatten auch Kinder. Abby und Brittany arbeiten heute als Grundschullehrerinnen in Minnesota. Schon 2021 schlossen Abby und Josh den Bund fürs Leben, aber bekannten sich erst jetzt öffentlich dazu - und teilten ihr Hochzeitsvideo vom ersten Tanz auf TikTok mit ihren Followern. Die Hetze im Netz ließ nicht lange auf sich warten.

Sowas sollte verboten werden!

Ungleiche Paare ziehen nicht nur die Blicke, sondern auch Kommentare auf sich, online wie offline. Posts namens "Wie geht das denn?" zählen noch zur harmlosen Sorte. Zum Beispiel, weil die Braut doppelt so alt wie ihr Bräutigam ist. Trotzdem stimmt die Chemie: Viele verstecken sich nicht schamhaft, sondern teilen ihre Liebe auf Social Media und streamen ihre Hochzeiten live. Granny und ihr Toyboy! Sowas sollte verboten werden!, schlägt ihnen als Hass entgegen, die Familie rümpft die Nase. Und es kommt noch schlimmer: Marina Balmasheva erwartet ein Baby von ihrem Ehemann - und teilt Bilder der Schwangerschaft im Netz. So weit, so gewöhnlich, wäre ihr Mann nicht ihr Stiefsohn Vladimir. Für die russische Influencerin ist Angriff die beste Verteidigung. Sie sucht nach Gleichgesinnten unter anderen ungleichen Paaren, die als Mutter und Sohn beschimpft werden. Oder Frauen, die größer und stämmiger als ihr Mann sind, usw.

Hasspostings: Existenzberechtigung in Frage gestellt

Wenngleich sich Balmasheva über das positive Erfahrungsfeedback zahlreicher User freuen kann, sagt sich der Satz: Das kann euch doch egal sein!, relativ leicht. Zu leicht auch für Liebespaare, von denen ein Part im Rollstuhl sitzt. Die Angriffe reichen von Fragen wie "Seid ihr Geschwister?" oder "Hast du ein Helfersyndrom?" bis zu Etikettierungen wie abnorm und ekelhaft. Stressig, weil die Existenzberechtigung der Beziehung ständig in Frage gestellt wird. Warum dann diese Online-Transparenz? Nicht selten springt bei solchen Paaren der Funke beim digitalen Beschnuppern über - und erst dann im wahren Leben. Einige treten an, aktiv in der Gesellschaft mit Vorurteilen gegenüber Menschen und Paaren mit Behinderung aufzuräumen. Das ermutigt auch andere, dass solche Beziehungen funktionieren können.

Gesucht, gefunden, verliebt - und die Welt lästert

Anderssein kennt einen Preis. Studien belegen, dass die Mehrheit einen vergleichbar attraktiven Partner wählt, frei nach dem Motto: Eine Zweiten, die bessere Hälfte finden, um glücklich zu sein. Oberflächlich betrachtet, ist aber nicht jeder Seelenverwandte auch optisch eine harmonische Ergänzung. Hate Speech kratzt am Selbstbewusstsein und macht wütend: Warum müssen wir uns für diese ganz private Entscheidung rechtfertigen? Was soll diese ungebetene Eheberatung? Zeit, dumme Sprüche mit einem individuellen Repertoire an Kontern zu parieren! Normalität im Alltagskontakt ist selten garantiert, einfach jeder muss scheinbar seinen Senf dazugeben.

Gegenwehr mit Counter Speech

Im Kampf gegen diesen Senf engagieren sich Projekte wie das Schweizer Stop Hate Speech, dessen Algorithmus Hasspostings automatisch aufspürt und wirksame Tipps zu Counter Speech und Gegenrede gibt. Credo: Jeder hat eine Stimme im öffentlichen Diskurs, aber für Hass ist kein Platz. Es gilt, nicht nur zu demonstrieren, dass Hate Speech Postings inakzeptabel sind. Sondern auch, dafür zu sorgen, dass andere Empathie mit den Attackierten entwickeln, sich solidarisieren. So appelliert Counter Speech an moralische Grundsätze: Wie würdest du dich fühlen, wenn man dich so angehen würde? Wenn man dich allein auf dein Aussehen reduzieren würde? Andere zu kritisieren ist einfach, bis man selbst in der gleichen Situation ist. Die Zwillinge Abby und Brittany Hensel jedenfalls sind fest entschlossen, aus ihrem Leben das Beste zu machen. Ihre Botschaft an alle Hater: Dir gefällt nicht, wie wir leben, aber du guckst unsere Videos trotzdem? Dann betrachten wir auch dich einfach als Fan!

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