Artikel vom 27.09.2022

Lebenslang auf Hochzeitsreise: Wie heiraten Mennoniten - und warum?



Machten während der Pandemie immer wieder Schlagzeilen: Mennonitische Hochzeiten, durch das Ordnungsamt wegen Missachtung von Corona-Regeln aufgelöst. Auch, weil die Bethäuser dieser Kirchen nicht selten mehr als 600 Gläubigen Platz bieten. Ihre Zahl in Deutschland ist ebenso groß wie ihre Zurückhaltung in der Öffentlichkeit - wie halten es Mennoniten mit Liebe und Ehe?

Zu viele Teilnehmer: Traugottesdienste mittendrin gestoppt

Hochzeitsgäste in dreistelliger Zahl im Bethaus, obwohl zuweilen nicht mehr als 60 Personen zur Trauung erlaubt waren oder es versäumt wurde, die Hochzeit rechtzeitig bei den Behörden anzumelden: In Coronazeiten riefen mennonitische Trauungen regelmäßig das Ordnungsamt auf den Plan. Traugottesdienste wurden mitten in den Übermittlungen zahlreicher guter Wünsche für das Brautpaar gestoppt. Mennoniten? Eine evangelische Freikirche und Friedenskirche, die ihre Wurzeln in der Täuferbewegung der Reformationszeit hat und mit Gemeinden in Russland, Kanada und weltweit vertreten ist - und auch zahlreich in Deutschland. Mennoniten leben in großen Familien; fünf oder mehr Kinder sind keine Seltenheit.

Solo Gratia: Glück kein persönliches Verdienst, sondern Gnade Gottes

Mennoniten finden Geborgenheit im starken Glauben und widmen ihr Leben Gott und Jesus. Gemäß Sola Scriptura richten sie ihr Handeln nach dem Alten und Neuen Testament aus. Und Sola Gratia bedeutet: Kein Mensch findet sein Glück durch seine eigenen Handlungen, sondern ausschließlich durch Gottes Gnade und Zuwendung. Aber wenngleich Hochzeit, Ehe und Taufe einen sehr hohen Stellenwert haben: D i e Lebensweise mennonitischer Christen gibt es nicht - und so auch keine allgemeingültige Mennoniten-Hochzeits-Zeremonie. So finden Trauung nicht zwingend im Bethaus einer Gemeinde statt. Hochzeiten werden auch im Haus der Familie abgehalten.

Mennoniten sind zurückhaltend: Wie der Lebensstil, so die Hochzeit

An ihren Outfits sollt ihr sie erkennen: Die Mädchen tragen geflochtene Zöpfe und knielange Röcke, Jungen Hemd und lange Hose - strenge Kleidung, um Gott zu gefallen. Offiziell kennt der mennonitische Glauben keine Dogmen und Verbote, die Kleidung wird freiwillig so gewählt. Entsprechend ist das streng mennonitische Brautkleid alles andere als pompös-überladen, sondern weiß, einfach, ein bisschen konservativ - und gern selbstgenäht. Heiratet ein strenggläubiges Paar, sind bei der Trauung nur Braut, Bräutigam und Pfarrer zugegen. In liberaleren Zeremonien dagegen feiern auch Trauzeugen und Brautjungfern oder die gesamte Gemeinde Traugottesdienst.

Hochzeitsfotos, Musik, Tanz und Alkohol? Es kommt darauf an

Dennoch: Auch hier sind Elemente wie Brautstrauß und Blumenschmuck eher schlicht. Um ungestört zu Gott zu beten, wird während des Traugottesdienstes meist nicht fotografiert. Diese Gläubigen machen sich auch kein Bild von Gott und Jesus - Heiligenbilder sucht man in den reduziert geschmückten Bethäusern meist vergebens. Familienportraits dagegen sind unverzichtbar, gestaltet durch eigene Hochzeitsfotografen. Aber "Sie dürfen die Braut jetzt küssen!" heißt es auch hier: Nachdem Braut und Bräutigam schriftlich präparierte Traugelübde getauscht haben, wird der neue Bund mit einem Kuss besiegelt. Zum anschließenden Hochzeitsempfang gibt es Abendessen, Kuchen und viel, viel Musik. Trotzdem ist Tanzen nicht überall gern gesehen - und auch Alkohol wird nicht bei jedem Mennoniten-Hochzeitsempfang ausgeschenkt.

Woher dieses Fehlen streng einheitlicher Regeln?

Sogar beim Thema Empfängnisverhütung gibt es keine Vorschriften, die für alle Mennoniten gleichermaßen gelten. Und auch wenn die konservative Anmutung scheinbar etwas anderes sagt: Unter Mennoniten können auch homosexuelle Paare gesegnet und getraut werden. Der Grund: Mennoniten sind eine kongregationalistische Glaubensgemeinschaft - ohne ein Kirchenoberhaupt. Alle ethischen Fragen werden in der Gemeinde vor Ort ausgehandelt und geregelt. So ist es auch die Gemeinde, die junge Ehepaare zu Beginn der Ehe berät - Ehepaararbeit genannt. Gespräche, Vorträge und Seminare widmen sich mit Leidenschaft dem Ziel, für solide Ehen sorgen, die dem Ideal folgen, das Gott für eine glückliche Ehe und Familie vorsieht. Denn je glücklicher die Ehepaare, desto zufriedener die ganze Gemeinde!

Ehepaararbeit stärkt die Gemeinschaft ...

... zwischen den Ehepartnern, aber auch jeden einzelnen Partner. Schließlich ist die Heirat der Beginn einer gemeinsamen Entdeckungsreise. Ja-Sagen zum Partner ist ein Ja zu Gott: Brautleute, die eine Liebesbeziehung pflegen, wissen, dass es Zeit braucht, um sich kennen zu lernen und zu prüfen, bevor man zusammen vor den Traualtar tritt. Um diese Hochzeitsreise gut vorzubereiten, stellen viele Gemeinden Braut und Bräutigam während der Verlobungszeit und der ersten beiden Ehejahre ein Patenehepaar zur Seite, das Braut und Bräutigam selbst auswählen können. Die Hochzeit selbst ist vor allem ein Fest der Treue! Heiraten heißt, dass sich zwei Menschen einander schenken - für eine einzigartige Verbindung. Liebe und Sex sind dabei Mittel intimer Paarkommunikation. Aber: Intimität macht verletzlich. Die lebenslange Beziehung zu einem einzigen Partner verspricht Schutz und Sicherheit. Sicherheit, in der sich die Partner fallenlassen können - und so Bindung nicht als Fessel, sondern als Plus an Freiheit erleben.

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