Artikel vom 01.10.2024

Hilfe, Geburtsurkunde falsch! Wenn das Standesamt Fehler im Namen findet



Unübersehbar! Ein neuer Berliner ist da. Trotzdem stellt das Standesamt Berlin keine Geburtsurkunde aus - mit weitreichenden Folgen. Immer wieder führen fehlende Bindestriche und abweichende Schreibungen bei namentlichen Eintragungen in wichtigen Dokumenten zu absurden Situationen. Was ist da los - Behördenwillkür bei der Arbeit?

Standesamt Berlin: Vietnam kennt keine Doppelnamen

Stein des Anstoßes im aktuellen Fall war der Doppelname der Mutter des Babys, Le Nguyen. Dabei steht der Name der Deutsch-Vietnamesin Ha Thanh Le Nguyen in Einbürgerungsurkunde und Personalausweis. Trotzdem ist sich das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg sicher: Im Vietnamesischen gibt es keine Doppelnamen! Und was es nicht gibt, kann auch nicht in eine Geburtsurkunde eingetragen werden - obwohl die Tochter nicht einmal den Nachnamen der Mutter, sondern den des Vaters trägt. Aber deutsches Recht will es, dass in jeder Geburtsurkunde die Namen von Mutter und Vater stehen. Im Fall Le Nguyen fehlen somit die Voraussetzungen für die Ausstellung.

Ohne Geburtsurkunde kein Kindergeld

Für das Standesamt ist das - inzwischen sechs Monate alte - Mädchen quasi ein Baby zweiter Klasse. Ein Problem, das auch Alleinerziehende kennen: So lange der Ex-Partner die Vaterschaft nicht anerkennt, stellen die Standesämter statt einer Geburtsurkunde nur eine vorläufige Geburtsbescheinigung aus. Diskriminierung, weil die Geburtsurkunde für Steuer-ID und Kindergeld Voraussetzung ist. Aufgrund der Begründung ihres Standesamtes fühlt sich Le Nguyen rassistisch diskriminiert. Zwar können sich Betroffene seit Inkrafttreten des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes von 2020 an eine Ombudsstelle wenden, aber das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg weist den Diskrimierungsvorwurf zurück: Man halte sich mit der Prüfung der Namensführung an geltendes Recht.

USA: Rassistische Namensdiskrimierung ...

... trägt einen berühmten Namen - Beyoncé Knowles. Die Mutter von Megastar Beyoncé, Tina Knowles, ist eine geborene Beyoncé. Wobei sich sogar nahe Verwandte - wie Bruder Beyincé - unterschiedlich schreiben, da der Nachname schon falsch in der Geburtsurkunde steht. Als Tina Knowles um Korrektur bat, sagte das Standesamt, sie könne froh sein, überhaupt ein Dokument zu bekommen. Dass US-Behörden Schwarzen keine Geburtsurkunde ausstellten, ist noch gar lange her! Glücklich, wer trotz Eintragungsfehlern wie falschen Buchstaben oder Bindestrichen unbehelligt durchs Lebens rutscht, so scheint es. Ein Mann aus Bayreuth erwischte es dagegen: Dank fehlendem Bindestrich in der Geburtsurkunde lebte dieser Jahrzehnte unter falschem Namen. Geht so nicht, so die Behörden. Bindestrich einfach ergänzen? Geht auch nicht, so das Standesamt - das wäre eine Namensänderung, und dazu braucht es einen ernsthaftem Grund. Was tun? Der Mann musste den überschüssigen Bindestrich in den übrigen Dokumenten löschen lassen - auf seine Kosten.

Behördenposse: Ist Tariq = Taraq?

Nicht immer geht es so glimpflich ab: Eine Familie in Hessen zerriss es aufgrund eines falschen Vokals in der Geburtsurkunde des zweifachen Vaters. Weil dieser dort als Taraq statt als Tariq steht, wurde der Kfz-Mechaniker nach Pakistan abgeschoben. In diesem Fall kam erschwerend hinzu: Tariq und die deutsche Kindsmutter und Germanistikstudierende hatten nur nach islamischem Recht statt standesamtlich geheiratet - denn Tariq war nur geduldet. Ist ein Trauschein Voraussetzung für die Anerkennung einer Vaterschaft? Nein - und stünde die Abschiebung dem Kindeswohl nicht entgegen, wäre diese ohnehin erfolgt. Der Hessische Flüchtlingsrat wirft den Behörden vor, das grundgesetzlich geschützte Recht von Ehe und Familie zu ignorieren. Unverständlich auch, dass diese mauern - schließlich sind die Kinder Deutsche. Fälle, in denen ein Vater normalerweise eine Aufenthaltserlaubnis erhält.

Rechtskräftig geschieden, obwohl nur islamisch getraut

Warum werden solche Dokumente nicht einfach berichtigt? Das Amtsgericht argumentiert, die Mutter der Kinder habe den Namen des Vaters mit Taraq angegeben. Der Grund? Auf dem wichtigsten Dokument des Pakistanis, der Duldung nämlich, steht "Taraq". Pech gehabt, denn inzwischen hat der Kindsvater einen Reisepass, in dem der Name aus Behördensicht korrekt steht - als "Tariq". Doch damit nicht genug: In puncto deutsches Behördenhandeln tun sich weitere Abgründe auf. Für die Kindsmutter ist es nämlich bereits die zweite Ehe nach islamischem Recht. Was ein deutsches Familiengericht übersah - und die Scheidung vollzog, obwohl gar keine rechtskräftige Ehe bestand.

Wie Probleme mit ausländischen (Vor-)Namen vermeiden?

Wer laut Auswärtigem Amt einen deutschen Reisepass beantragt, erfährt: Bei ausländischer Geburtsurkunde ist der dort eingetragene Name nicht immer nach deutschem Recht gültig. Oder besteht danach erst gar nicht, so dass der Name erst noch einmal erklärt werden muss. In anderen Fällen steht ein Name zwar nach deutschem Recht fest, aber stimmt nicht mit dem Namen in der ausländischen Geburtsurkunde über. Dann muss dieser per separater Erklärung geändert werden. Grundsätzlich unterliegen ausländische Geburtsurkunden der so genannten freien Beweiswürdigung deutscher Behörden und Gerichte. Woraus folgt, dass Probleme entstehen, sobald eine ausländische Geburtsurkunde einen Namen aus Sicht deutschen Rechts falsch wiedergibt. Bei jeder Nachbeurkundung sollen Daten umfassend geprüft und Erklärungen zu Abstammung und Namen eingeholt werden. Antragsberechtigt sind neben einer Person selbst die Eltern, Ehefrau, Ehemann, Lebenspartner oder Kinder. Ansprechpartner ist das Standesamt am Wohnort des Empfängers der Geburtsurkunde , bei im Ausland lebenden Eltern das Standesamt des letzten Wohnsitzes - und ohne Inlandswohnsitz das Standesamt I in Berlin.

Erbsenzählerei im Standesamt: Wem ist damit gedient?

Bislang besteht in Deutschland keine Pflicht zur Nachbeurkundung, obwohl dies Sinn machen könnte. So würden alle Bürger einheitlich und selbstverständlicher erfasst - ob deutsche Abstammung, Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung oder Adoption, staatenlos oder Flüchtling. Im Fall von Ha Thanh Le Nguyen sieht die Berliner Senatsverwaltung für Inneres übrigens keine Diskriminierung. Aber auch dort räumt man ein: Es besteht eine Diskrepanz zwischen Einbürgerungsrecht und Personenstandsrecht. Höchste Zeit also, genauer hinzusehen. Nicht, um weitere Rechtschreibfehler aufzuspüren, sondern als Behörde humane Entscheidungen im Sinne Betroffener zu fällen!

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