Artikel vom 14.02.2022

Grenzenlos heiraten? Virtuelle Traumhochzeit im Metaversum



Traumhochzeit trotz Pandemie - und das Hochzeitsglück mit vielen Menschen teilen? Ein Metaversum als kollektiver virtueller Raum verspricht genau das. Ein Brautpaar aus Indien beschloss, in einer virtuellen Hochzeitslocation zu heiraten. Harry Potter stand Pate für das Märchenschloss. Was steckt hinter dem neuen Trend?

Metaverse-Hochzeit im Harry-Potter-Schloss

Remote in der Arbeitswelt, die Arbeit geht im Home-Office weiter. Doch auch remote Feiern ist im Kommen: Als sich indische Brautleute aus dem Bundesstaat Tamil Nadu mit einer staatlich verfügten, Corona-Obergrenze von 100 Feiernden konfrontiert sahen, beschlossen sie: Wir feiern virtuell! Während eine Gästezahl von 100 für viele Deutsche als realistisch gilt, kommen in Indien nicht selten vierstellige Hochzeitsgesellschaften zusammen. Also verschickte der Bräutigam Video-Hochzeitseinladungen per Twitter. Die Location der Harry-Potter-Fans: Ein Märchenschloss, modelliert nach der Hogwarts-Zauberschule - ohne aufwändige VR-Brillen, sondern einfach per Browser begehbar. Die virtuelle Traumlocation wurde durch ein Blockchain-Startup gebaut. Braut und Bräutigam wandelten als Avatare durch das Schloss, um ihren 2.000 Gästen interaktiv zuzuprosten.

Braut und Bräutigam nach der Hochzeit verkauft

Das Konzept erlaubte es sogar bis zu mehr als 6.000 Gästen, per Login bei der Hochzeit dabeizusein, um zu plaudern, zu tanzen, zu speisen und ein unterhaltendes Programm auf der Leinwand zu bestaunen. Parallel lief ein analoger, echter Offline-Empfang mit einer kleinen Gästezahl. Wie kommt man darauf, solche virtuellen Träume tatsächlich umzusetzen? Bei dem Paar aus Indien bestand schon eine Affinität dazu. Denn der Bräutigam, angestellt am Indian Institute of Technology (IIT), war höchstpersönlich am Entwurf der Hochzeitswelt mitbeteiligt. Die Online-Hochzeit wurde in Kooperation mit dem Blockchain-Unternehmen Polygon und der Mixed-Reality-Firma Tardiverse auf die Beine gestellt. Nach dem Fest wurden die Avatare von Braut und Bräutigam als NFTs (Non-Fungible Token) zum Kauf angeboten - einzigartige, nicht austauschbare digitale Objekte, die auf Online-Ressoucen wie z. B. Bilder verweisen. Fälschungssicher und nicht replizierbar, ist hier das Echtheitszertifikat mittels Blockchain verschlüsselt und gesichert. Im Handumdrehen waren die Avatare auf einem virtuellen Marktplatz in Indien verkauft.

Metaverse-Trauung: Rechtlich und technisch unausgereift

Für Indien war die Metaverse Hochzeit eine Premiere, aber nicht die erste weltweit. Schon ein US-Paar hatte in einem browserbasierten Decentraland-Game geheiratet, unter den Augen eines Richters des Obersten Gerichtshofs. Trotzdem erkannten die amerikanischen Behörden (AMM, American Marriage Ministries) die Hochzeit noch nicht abschließend an. Nur, so das Argument, wenn die Gesichter von Braut und Bräutigam im Metaverse echt seien und die Trauung in Echtzeit unter Einsatz von Konferenzsoftware erfolge, könne man von Gültigkeit sprechen. Um sich anzusichern, hatte das Brautpaar die Rose Law Group beauftragt, die Ehe rechtlich zu beurkunden. Blockchain-Metaverse steckt noch in den Kinderschuhen. Auch der Hochzeitstag im Decentraland verlief nicht ohne Pannen: Die Technik schaffte es kaum, die Zahl der Hochzeitsgäste zu bewältigen. Außerdem sollte es NFT-Gastgeschenke geben, die nur für 20 Minuten reichten - wer sich später einloggte, ging leer aus. Und welch ein Schock! Der Avatar des Bräutigams fror einfach auf dem Gang zum Altar ein - und die Braut blieb für manche Gäste unsichtbar oder trug Pullover statt Brautkleid.

Aufbrauch ins Meta-Parallel-Universum?

Der neue Hype ist noch nicht ausgereift. Immerhin brennt Mark Zuckerberg, der Facebook bereits in Meta umbenannte, für Metaversum. Hoffnungsfroh, kaufte Microsoft schon einmal Activision, eine der größten Gamesfirmen weltweit - für knapp 70 Milliarden Dollar. Denn die Möglichkeiten sind verlockend: Nichts scheint im Metaverse die perfekte Hochzeit einzuschränken. Auch die Warner Music Group will hier einsteigen, genauso wie Nike, Adidas, Walmart und McDonalds. Kritiker bemängeln, dass Metaverse-Produkte - wie oft fälschlich angenommen - nicht in sich abgeschlossene virtuelle Einzelszenarien sind. Stattdessen ist geplant, das Metaversum als virtuellen Raum weltweit zu verknüpfen. Jeder soll mitmachen und interagieren können - und nicht nur Hochzeit feiern, sondern auch auf Jobssuche gehen oder Immobilien kaufen, in einer Art digitaler Mega-Parallelwelt. Bis es soweit ist, bleibt ein praktisches Problem noch ungelöst: Für ein Metaversum braucht es eine Rechenleistung, die ein Mehrfaches des derzeit Möglichen schafft.

Traditionelle Trauung vor dem Aus?

Trotzdem: Die Technologie schreitet im Eiltempo voran. Bald werden virtuelle Hochzeiten reibungslos laufen. Die Optionen, per Metaversum die Grenzen der Realität zu überschreiten, scheinen unendlich. Derweil halten die Gesetze kaum Schritt mit der Welt, in der wir leben. Standesbeamte in den USA sind weiterhin skeptisch, ob Metaverse-Hochzeiten legal sind - oder nicht mehr als eine einfache Zeremonie. Die Gesetzesänderungen, die Metaverse-Hochzeiten rechtsverbindlich machen, stehen noch aus. Wird die virtuelle Welt die Art, wie wir Hochzeiten feiern, demnächst auf den Kopf stellen? Aus für die traditionelle Trauung? Beerdigungen im Metaverse? Ein gleichermaßen faszinierender wie etwas unbehaglicher Gedanke.

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